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Adoleszenz (Pubertät)
Abschied von der
Kindheit
Adoleszenz (Pubertät) bedeutet einen
Aufruhr der Gefühle, einen Kampf zwischen
dem ewigen Wunsch des Menschen, sich an die
Vergangenheit zu klammern, und dem
gleichermassen machtvollen Wunsch,
weiterzugehen.
Ihr Zweck ist es nicht, das Vergangene
auszulöschen, sondern das Wertvolle
unsterblich zu machen.
Abschiednehmen bringt viel Kummer und
Sehnsucht mit sich. Insofern ist der
Jugendliche ein Trauernder, doch ein
Trauernder, der zunächst nur verschwommen
erkennt, was er verliert und was so schwer zu
verschmerzen ist, die leidenschaftliche Bindung
an die Eltern und an die Dialoge, die einst den
Mittelpunkt seiner kindlichen Existenz
bildeten.
Die Adoleszenz ist eine Zeit des Umbruchs,
die den Heranwachsenden mit Ängsten,
Nöten und Sorgen plagt, aber auch
Sehnsüchte und Hoffnungen in ihm
weckt.
Der Abschied von der Kindheit ist nicht nur
eine Wiederholung der kindlichen Szenarien,
sondern gleichsam ein Rangier- und
Verschiebebahnhof, in dem die Weichen für
die Zukunft, bewusst oder unbewusst, noch
einmal neu gestellt werden.
Anna Freud, 1996:
”Der Jugendliche ist gleichzeitig im
stärksten Masse egoistisch, betrachtet
sich selbst als den Mittelpunkt der Welt, auf
den das ganze eigene Interesse konzentriert
ist, und ist doch wie nie mehr im späteren
Leben opferfähig und zur Hingabe bereit.
Er formt die leidenschaftlichsten
Liebesbeziehungen, bricht sie aber ebenso
unvermittelt ab, wie er sie begonnen hat. Er
wechselt zwischen begeistertem Anschluss an die
Gemeinschaft und unüberwindlichem Hang
nach Einsamkeit; zwischen blinder Unterwerfung
unter einen selbst gewählten Führer
und trotziger Auflehnung gegen alle und jede
Autorität. Er ist eigennützig und
materiell gesinnt, dabei gleichzeitig von hohem
Idealismus erfüllt. Er ist asketisch, mit
plötzlichen Durchbrüchen in
primitivste Triebbefriedigungen. Er benimmt
sich zuweilen grob und rücksichtslos gegen
seine Nächsten und ist dabei selbst
für Kränkungen aufs äusserste
empfindlich. Seine Stimmung schwankt von
leichtsinnigem Optimismus zum tiefsten
Weltschmerz, seine Einstellung zur Arbeit
schwankt zwischen unermüdlichem
Enthusiasmus und dumpfer Trägheit und
Interesselosigkeit.”
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